Zum 260. Jahrestag des Besuchs von W. A. Mozart und seiner Familie in Pressburg

Historische Persönlichkeiten
17. Dezember 2022

Nach der ersten Konzertreise seiner Wunderkinder Maria Anna (11) und Wolfgang Amadeus (6) nach München Anfang 1762 (dokumentiert nur durch die Antworten von Maria Anna an Friedrich Schlichtengroll), reiste Leopold Mozart mit seiner Familie im Herbst desselben Jahres nach Wien, der Hauptstadt des Habsburgerreiches. Im Rahmen ihres Aufenthalts in Wien vom 6. Oktober bis 31. Dezember 1762 besuchten sie vom 11. Dezember bis 24. Dezember 1762 auch die damalige Hauptstadt Ungarns, Pressburg.

Die Hauptquellen für Wolfgang Amadeus Mozarts einzigen Besuch in Pressburg (und gleichzeitig seinen einzigen Besuch in Ungarn) sind Briefe seines Vaters Leopold Mozart an seinen Freund Lorenz Hagenauer in Salzburg und an seinen Verleger Johann Jakob Lotter in Augsburg. Ein weiterer Brief wird später von dem 17-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart selbst an seine Schwester Maria Anna Mozart geschrieben.

Wolfgang Amadeus Mozart im Galakleid, Geschenk von Maria Theresia. Ölgemälde von Pietro Antonio Lorenzoni (?) 1763 (Quelle: Wikimedia Commons)

 

Ich zitiere Sätze, die sich auf den Besuch in Pressburg beziehen, aus einzelnen Briefen, die auf der Website der Stiftung Mozarteum Salzburg veröffentlicht sind, die das kulturelle Erbe Mozarts bewahrt und verbreitet. Quelle: Mozart Briefe und Dokumente – Online-Edition, herausgegeben von der Internationalen Stiftung Mozarteum, Salzburg (https://dme.mozarteum.at/briefe-dokumente/online-edition/, zit. 20.11.2022)

„Denn sie müssen wissen, daß wir von 3 Wochen her immer geplagt werden nach dem Maria Empfängniß Fest nach Presburg abzugehen. Nun wurde dieses Ansuchen itzt stärker, als wir mit den grösten von Ungarn an des Kaysers Geburtstage bey der offentl: tafel sprachen. Morgen gehen wir also nach Preßburg: allein mehr als 8 täge gedenke ich gar nicht alda auszuhalten. hl: v Wallau will selbst desswegen an unsern Hof schreiben; denn er hat es auf sich genommen: sonst wäre ich augenblicklich abgereiset. Denn ich weis eben nicht, ob ich so gar viel in Pressburg profittieren werde.“

„Homo proponit, Deus disponit. Den 20ten gedachte ich von Presburg aufzubrechen und den 26ten von Wienn abzugehen, um am Neuen JahrsAbend in Salzburg einzutreffen. Allein den 19ten bekam ich ungewöhnliche Zähnschmerzen, ich sage: mir ungewöhnliche Zähnschmerzen; denn sie waren an der ganze Reihe der obern vordern ohnschadhaften und sonst gesunden Zähne. Die Nacht hindurch geschwoll mir das ganze Gesicht auf, und den folgenden Tage sah ich dem wirklichen Posaune Tölpel (Passauer Tölpel) ähnlich; so zwar, daß hl: Lieutenant Winckler (des Hof Paukers Bruder) da er uns besuchen wollte, beym Eintritte ins zimmer mich verkannte, und irre gegangen zu seyn glaubte. Bey diesem traurigen Umstande musste ich mich mit dem trösten, daß wir ohne hin wegen der ungewöhnlich stark eingefallenen Kälte im arrest waren; denn die flügende Brücke wurde ausgehoben, und [mit] schifflein, auch dabey mit gefahr […] mit kleinen schiflein, sage ich, konnte man nur etwa das Post Paquet über die Donau hinüber bringen, da dann der Postillion auf einem BauernPferd weiter kommen muste. Ich muste demnach warten bis Nachricht kamm, daß die Mark oder March (ein wasser, das nicht groß ist) zu gefrohren ware. Ich nahm also am hl: Abend umb halbe 9 uhr Morgens von Presburg Abschied und kamm auf einem ganz besondern Weeg um halbe 9 uhr Nachts in Wienn in unserm quartier an. wir reisten diesen Tag nicht sonderlich bequemm, indem der weeg zwar ausgefrohren, allein unbeschreiblich knoppericht und voller tieffer gruben und schläge war; denn die Ungarn machen keinen weeg. Hätte ich in Pressburg nicht einen Wagen kauffen müssen, der recht gut gehängt ist, so hätten wir ganz gewiß ein paar Rippen weniger nach Hause gebracht. Den wagen muste ich kauffen, wenn ich anders wollte, daß wir gesund nach Wienn kommen sollten. Denn in ganz Presburg war kein 4 sitziger geschlossner Wagen bey allen Landkutschern anzutreffen. Diesen wagen hatte ein Stattkutscher, die Stattkutscher därffen aber nicht über Land fahren, ausgenommen mit 2 Pferd nur auf etliche Stunde.

kaum kamen wir in Wienn an, so sagte mir unser Zimmerfrau, daß die grafin Leopold Kyntsky täglich habe nachfragen lassen, ob wir angekommen? – – ich gieng am hl: Weinachttage zu ihr, und sie sagte sie hätte mit schmerzen auf uns gewartet, und eine tafel verschoben, die sie dem feldmarschall Daun geben wollte, der uns können möchte. Sie gab also diese Tafel am Montage.“

„wir waren auch 13 täge zu Preßburg: wo ich einen guten Reisewagen kauffte, um beÿ der kalten Jahrszeit bequemmer nach Hause reisen zu können.“

„von M:r greibich den wir zu Presburg zu erst kennten, und dann auch zu wien habe auch alles erdenkliches aus zu richten“

Maria Anna Mozart. Ölgemälde von Pietro Antonio Lorenzoni (?) 1763 (Quelle: Wikimedia Commons)

 

Nach Mozarts Tod beantwortete seine Schwester Maria Anna Mozart, verheiratet von Berchtold zu Sonnenburg, im Jahr 1792 die Fragen von Friedrich Schlichtengroll (erster Biograf von Mozart). Hier ist ein Zitat aus der Publikation: Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe. Band IV: 1787 – 1857, S. 186.

„Da sich die Kinder immer mehr auf dem Clavier perfectionierten, so machte die Mozartische Familie den 18ten September 1762 eine Reise über Pasau Linz nach Wien, wo die Kinder sich in wenig tägen nach ihrer Ankunft bey dem Kaisserlichen Hof producirten. machten auch eine kleine Reise nach Prespurg und kammen in Jenner 1763 in Salzburg zurück.“

Über die Einzelheiten dieses Besuchs, den Aufenthaltsort der Familie Mozart und den mutmaßlichen Auftritt der Kinder liegen uns noch keine Quellen vor. Die Pressburger Zeitung begann erst zwei Jahre später, 1764, zu erscheinen.

Am Pálffy-Palais in der Ventúrska Straße 10 befindet sich eine Gedenktafel aus dem Jahr 1959 (von Ján Rybárik, Ervín Staník, Ivan Strelko). Dieses Palais gehörte Leopold (II.) Pálffy (1716 – 1773), General der Artillerie. Das Pálffy-Palais in der Zámocká Straße bzw. dessen Gartensaal kommt jedoch viel eher als möglicher Ort für Mozarts Konzerte in Betracht.

Mozart-Gedenktafel, Ventúrska 10 (Foto: Robert Hofrichter)

 

Laut dem Artikel von Daniel Hupko und Viera Obuchová „Pálffyovský seniorátny dom a palác Štefana Pálffyho v Bratislave. História a súvislosti“ In: Zborník Múzea mesta Bratislavy XXIV, 2012, str. 84: „Wir gehen davon aus, dass das Palais von Pavol Pálffy auf der Grundlage des Prinzips der Primogenitur vom ältesten der Brüder, Nikolaus Pálffy, erworben wurde, dessen Name auch mit dem Besitz des Majoratspalais in Wien am Josephsplatz 2 verbunden ist. Nikolaus‘ jüngerer Bruder Leopold nutzte während seiner Aufenthalte in der Stadt sein eigenes Palais in der heutigen Ventúrska Straße.“

Den ungarischen Hofkanzler und Obersthofrichter Nikolaus (VIII.) Pálffy (1710 – 1773), den älteren Bruder des erwähnten Leopold, lernten die Mozarts bereits am 11.10.1762 in Wien bei einem Konzert beim Reichsvizekanzler Colloredo kennen, und am 16.10.1762 konzertierten sie direkt im Pálffy-Palais am Josefsplatz (heutige Nummer 6). Schade, dass die Korrespondenz von Nikolaus Pálffy nicht im Familienarchiv in Wien gefunden wurde (Aussage von Anna Fundárková vom 22.11.2022).

Ich empfehle insbesondere den Artikel des führenden slowakischen Musikhistorikers Pavol Polák „K otázke návštevy Wolfganga Amadea Mozarta v Bratislave“ in der musikwissenschaftlichen Zeitschrift Slovenská hudba Nr. 3-4/2007, S. 408-415. In seiner Argumentation erwähnt Polák jedoch nicht den oben erwähnten Nachtrag zum Schreiben vom 21. August 1773.

In mehreren deutschsprachigen Publikationen über Mozart und in mehreren Ausstellungen in Österreich wird Pressburg in die Liste der von Mozart besuchten Städte aufgenommen. Für sie alle möchte ich die grundlegende Literatur von Otto Erich Deutsch erwähnen: „Mozart. Die Dokumente seines Lebens“, Bärenreiter 1961.

In dem ausführlichen Artikel „Mozarts Konzertreisen 1762. Ein biographischer und topographischer Kommentar zu den Reiseberichten“, erschienen in der Reihe Mitteilungen der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg 1993, S. 23-58, schreibt der deutsche Mozartforscher Heinz Schuler im Kapitel „Preßburg“ auf S. 56:

„Preßburg war der Sitz bedeutender ungarischer Magnatenfamilien, und wir dürfen annehmen, daß der Besuch in erster Linie auf Betreiben des ungarischen Hofkanzlers und Preßburger Comitatsherrn Nikolaus Graf Pálffy erfolgt ist.“

Selbst der österreichische Musikwissenschaftler und Mozartexperte Michael Lorenz, der oft Ungereimtheiten in allgemein akzeptierten Interpretationen aufdeckt, schreibt in seinem gemeinsamen Artikel mit Dexter Edge: „The Mozarts‘ Viennese Lodgings in 1762 and the House „Zum rothen Säbel“, Eighteenth Century Music, 17/2, 2020, S. 243-259:

 „The Mozarts remained in Vienna until 31 December 1762, except for a visit to nearby Preßburg (Bratislava) from 11 to 24 December.“

Im Mozarts Geburtshaus sowie im Mozart-Wohnhaus in Salzburg finden wir Karten mit Mozarts Routen, auf denen Pressburg / Bratislava eingezeichnet ist. Der bedeutende österreichische Musikwissenschaftler und langjährige Archivdirektor der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Musikverein), Otto Biba, der das diesjährige Konvergenzen-Festival in Bratislava mit seinem Besuch und seinem Vortrag beehrte, war Kurator der Sonderausstellung im Mozarthaus Vienna „Mozart: Reisender in Europa“ (12.2.2019 – 26.1.2020), wo Pressburg auch auf der Liste der von Mozart besuchten Städten stand. Laut Otto Biba steht Mozarts Besuch in Preßburg absolut außer Diskussion. Die erwähnten Briefe sind der Beweis. Einen besseren Beweis kann es gar nicht geben. (E-Mail-Korrespondenz mit der Autorin des Artikels vom 20.11.2022).

Die Autoren der Publikation Hudobné dejiny Bratislavy, Ars Musica 2020, fassen zusammen: „Wir wissen mit Sicherheit, dass die Mozarts im Dezember in der Stadt waren, aber wir wissen immer noch nicht, wer genau von der ungarischen Aristokratie Mozart eingeladen hat, noch wo oder ob das Konzert überhaupt stattfand“. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass die höchsten ungarischen Repräsentanten nicht nur den Vater nach Pressburg einluden, sondern vor allem die Kinder, die das eigentliche Kapital des Vaters waren und die er sicher nicht in Wien gelassen hätte (u.a. wegen des entgangenen Gewinns). Wenn er sie dort gelassen hätte, hätte Gräfin Kinsky nicht mit Schmerzen auf sie warten müssen. Der Zweck dieser Konzertreise war es, die außergewöhnliche Kunst seiner Kinder zu präsentieren und auch davon zu profitieren (heute profitieren andere von Mozart-Souvenirs). Die Erwähnung des Profits deutet auf die Absicht hin, auch in Pressburg Konzerte zu geben. Zu welchem anderen Zweck hätten die Adligen sie hierher eingeladen? Der Singular in den Briefen wird vom Vater verwendet, um seine Autorität und Entscheidungsgewalt auszudrücken. Meistens verwendet er jedoch den Plural, um den Aufenthalt der gesamten Familie zu belegen.

In Bratislava gibt es eine weitere „Gedenktafel“ mit Mozarts Namen. Es handelt sich jedoch um ein Kunstwerk des slowakischen Künstlers Roman Ondak mit dem Titel „In the house on this spot“. aus dem Jahr 2006, das seit 2017 in der Galerie des Gebirgsparks (Horský-Park) zu sehen ist. Es wurde von der Mozart-Gedenktafel in London inspiriert (15 Frith Street, heute Nummer 21, Soho), wo die Familie Mozart zwischen 1764 und 1765 lebte. Von 2006 bis 2015 stellte Roman Ondak seine Kunstwerke in der Bastei des Stiftes Melk, Österreich, aus – in Anlehnung an die Mozart-Gedenktafeln verschiedener Orte, darunter die in Bratislava in der Ventúrska Straße 10 (weitere Informationen und Fotos hier: https://www.publicart.at/en/projects/all/?pnr=631&weiter=1). Warum das Werk mit der Londoner Gedenktafel die Ehre hat, in der Galerie des Gebirgsparks (Horský Park) ausgestellt zu werden, konnte ich nicht herausfinden.

Im Jahr 2022 gedenken wir auch des 260. Geburtstags und des 180. Todestags von Mozarts Frau Constanze Mozart, geb. Weber (1762 – 1842). Am 26. Juni 1809 heiratete sie zum zweiten Mal den dänischen Diplomaten Georg Nikolaus Nissen (1761-1826) in der St. Martinskathedrale in Pressburg. Die Trauzeugen dieser Hochzeit waren Mozarts Altersgenosse und eine wichtige Persönlichkeit im Pressburger Musikleben, Heinrich Klein, und sein Schwager Ludwig Braunmüller. Die Brautleute kamen aus zwei Gründen nach Pressburg, zum einen, um das von der französischen Armee besetzte Wien zu verlassen, und zum anderen wegen der Möglichkeit einer Mischehe in Ungarn (Nissen war Protestant). Am Tag ihrer Hochzeit beschossen die Franzosen jedoch auch Pressburg. Am 13. August 1809 kehrte das frisch vermählte Paar nach Wien zurück. Wie aus den Briefen von Constanze Nissen an ihren Sohn Carl Thomas Mozart hervorgeht, ist ihr Brief über die Entbehrungen, die sie während des französischen Beschusses und der anschließenden Besetzung der Stadt erlebten, verloren gegangen.

„und nun frage ich dich, ob du den Brief von Presburg worin ich dir die Beschreibung dieser stadt, und was wir dort alles ausgestanden haben und einen zuvor, nicht erhalten hast. Es solte mir sehr leid thuen, wen selbe solten verloren gegangen seyn, den dies noch einmahl zu Beschreiben würde mir unmöchlich seyn.“

 

Zuzana Godárová

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